10. Oktober 2007










 




P r o v e n c e - Reise vom 9. Juli bis 15. Juli 2007


Mitte März d. J. hatte ich mal wieder das Verlangen, andere Luft zu schnuppern. Zufällig fand ich in
einem kleinen Reisebüro den Prospekt mit sehr verlockenden Reiseangeboten.

Was mir besonders in Auge stach, war die Seite über eine 7-tägige Reise in die Provence.
Verheissungsvoll hiess es:

Provence und Camarque 7 Tage –
Duftende Lavendelfelder –
Antike Bauwerke –
Pferde, Stiere und Flamingos -


Ich buchte die Reise - auf gut Glück. Es war eine Busreise, die ja nicht jedermanns Sache ist.
Aber es klang ganz verlockend im Prospekt: wir würden ein kleines Hotel in Weinbergen bei
Avignon beziehen, dort bleiben und von da aus die umliegenden Städte und Sehenswürdigkeiten besuchen.

Am 9. Juli ist für mich die Nacht um 4 Uhr zu Ende: ich muss pünktlich zu einer wirklich
verbotenen Zeit um 5.15 Uhr am Bahnhof sein. Eine weitere Person mit Koffer kommt durch den
frühen, noch etwas grauen Morgen direkt auf mich zu. Die Dame hat aber – wie es sich herausstellt -
ein anderes Reiseziel gebucht. Zusammen fahren wir in einem großen Zubringerbus nach Saarbrücken, dem eigentlichen Ausgangspunkt der diversen Reisen.

Meine Gruppe „Provence“ besteht aus nur 29 Personen, altersmäßig bunt gemischt. Der älteste Herr
ist sehr alt und obendrein gehbehindert. Der Arme saß – wie es sich dann später dann herausstellt –
fast jeden Tag mit sehnsüchtigen Augen, gestützt auf seinen Stock an einem Tisch und blickte uns
todtraurig nach, wenn wir fröhlich neuen, unbekannten Zielen entgegenfuhren. Warum nur hatte er
diese Reise überhaupt gebucht?

Schnell haben wir die französische Grenze passiert und fahren auf der „Autoroute du soleil“ in
Richtung Süden. Unser Ziel ist Nîmes/Avignon. Die Landschaften, die an uns vorbeiflitzen, sind
wunderschön, alle in saftigem Grün: die Lorraine mit der leicht melancholischen Moselle, die
Champagne-Ardenne, dann die Bourgogne mit den vielen Weinbergen, die Rhone-Alpes und als
Krönung unser angestrebtes Ziel, die herrliche, Licht durchflutete Provence.

Die ganze Fahrt über gibt uns der Fahrer, der sich als exzellenter Kenner Frankreichs entpuppt,
Informationen über Land und Leute Er sieht ein bisschen aus wie Elton John und spricht seine
Ansagen über das Mikrofon mit einer sehr angenehmen Stimme. Die ganze Reise über staune ich über sein fundiertes Wissen, das wirklich ganz außerordentlich ist.

Ankunft in Estezarques, einem Ort, den ich auf keiner Karte finden konnte, den es aber, wie ich
bezeugen kann, gibt. Der Ort, den wir einmal abends nach dem Abendessen besuchen - er liegt ganz
in der Nähe unseres Hotels -, ist außerordentlich schön mit seiner herrlichen Lage oberhalb eines
weiten grünen Tals und seinen provenzalischen, über und über mit blühenden Pflanzen geschmückten
Häusern. Leute sind merkwürdigerweise nie zu sehen. Es gibt hier noch einen wahrscheinlich
mittelalterlichen öffentlichen Waschplatz mit drei Wasserbecken, in dem in früheren Zeiten die
Dorffrauen ihre Wäsche wuschen. Die einzigen Lebewesen, die wir zu Gesicht und vor allen Dingen
zu Gehör bekommen, sind große, ziemlich gefährlich aussehende Wachhunde, die wie verrückt an den Zäunen entlang rasen und sich fast zu Tode bellen. Auch ein paar niedliche Welpen sind dabei, die mit ihren noch hellen Stimmchen in das wütende Gebell und Knurren einstimmen.Wir sind sehr froh, dass uns Zäune von diesen wilden Kerlchen trennen.

Ich wollte irgendwann noch einmal in diesen Ort gehen, um ein paar Aufnahmen von der herrlichen
Lage und den entzückenden Häusern zu machen. Leider aber schaffte ich es nicht mehr. Unser
Programm war nämlich, wie es sich herausstellte, ausgesprochen stramm.

Am ersten Abend bei unserer Ankunft weht zu unserem Erstaunen ein eisigkalter Wind. Es ist der
Mistral, ein kalter Fallwind aus dem Rhonetal, der uns vor Kälte zittern lässt.


Hier ein paar Worte zu der Geschichte der Provence:

Besiedelt war das Gebiet schon vor ca. 900 000 Jahren: Handwerkzeuge gefunden in der Grotte du
Valonnet bei Menton beweisen dies. 600 vor Chr. treffen handeltreibende und seefahrende Griechen
(Gründung von Marseille - früher Massilia genannt) auf die Ligurer, Ureinwohner, die Eisen noch
nicht kennen und beeinflussen diese mit ihrer bereits hoch entwickelten Kultur: Wein und Ölbäume
werden angebaut; Schrift, Geld, Kunst etablieren sich.

Im 5. Jh. vor Chr. dringen indogermanische Kelten auf ihren Wanderungen auch in die Provence ein
und vermischen sich mit den Ligurern zu den sog. Keltoligurern, einem kriegerischen Volk.
154 und 125 vor Chr: Die Römer kommen ins Land, herbeigerufen von den Massalioten zur
Unterstützung im Kampf gegen die Keltoligurer.

122 vor Chr.: Gründung von Aquae Sextiae Sallutviorum – Aix–en -Provence. Es folgt eine sukzessive Romanisierung der Provinz. Die römischen Besatzer schaffen nach ihrem altbewährten Muster eine Infrastruktur: Alle von ihnen gegründeten Städte werden aus strategischen Gründen nach einem strengen geometrischen Muster angelegt, und zwar offene Städte mit Straßenzügen in Nord-Süd und Ost-West-Achse. Ausnahmen waren Nîmes, Arles und Orange, die von starken Mauerbesfestigungen umgeben waren. Die von den Römern angelegten großen Heerstraßen, die Via Appia, Via Aurelia und Via Domitia dienten dazu, schnell Truppen und auch Handwerker zu mobilisieren und sind noch heute existent. In dieser Zeit wurden auch große Wasserleitungen gelegt, von denen die Pont-du-Gard (d.h. die Brücke, die den Fluß Gardon überquert) noch ein lebhaftes Zeugnis ist. Die Wasserleitung heißt vielmehr Aqua Nemausus. In der Campagna ist es die Aqua Augustus, die gebaut wurde und die Städte am Golf von Neapel mit Trinkwasser und Wasser für die Bäder versorgt. In diesem Zusammenhang verweise ich auf ein Buch, das ich kürzlich gelesen habe und mir gut gefiel. Es heisst: „Pompeji“ von Robert Harris und handelt von den letzten Tagen Pompejis vor dem Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79 nach Christus. Im Mittelpunkt des Romans ist ein Mann, der für die Wasserleitung, die Aqua Augustus zuständig ist.

Da die Geschichte der Provence zu komplex und wechselvoll ist, würde es den Rahmen meines
persönlichen Berichtes sprengen, wenn ich näher darauf einginge. Der exzellente Reiseführer
„Provence“ von Dumont ist für jeden an diesem Landstrich Interessierten eine gute und sachdienliche
Lektüre. Er liegt auch meinem Bericht zugrunde.

Dienstag, 10. Juli, unser erster Tag in der Provence:

Auf dem Programm steht die Pont du Gard, eine von den Römern gebaute Brücke, auf der die
Wasserleitung (Aqua Nemausus) über den Fluss Gardon geführt wird. Die Stadt Nîmes wurde mit
dieser Leitung mit Wasser für ihre Thermen versorgt. Die große Brücke wurde vor 2000 Jahren ohne
Mörtel nur aus riesigen Steinquadern erbaut. Die mit Steinplatten gegen Verdunstung und
Verschmutzung geschützte Wasserleitung verläuft in dem oberen, kleinen Geschoss mit 35 Bögen,
das zweite Geschoss hat elf Bogen, die wiederum auf den unteren sechs Geschossen ruhen. Diese
Bauweise, die man als genial bezeichnen kann, verleiht dem Bauwerk im Falle von möglichen
Erdbeben und Anschwellen des Gardon eine große Elastizität. Dieses Wunderwerk der Baukunst
wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe der Menschheit ernannt.


Dies war bereits mein zweiter Besuch dieser sagenhaften Brücke: vor vielen Jahren, 1972, hatte ich mit Alex, meinem Mann, diese Gegend bereist, und ich erinnere mich noch gut an unser Picknick
unterhalb der mächtigen Brückenbogen. Ich höre noch immer den Gesang von abertausend Zikaden in meinen Ohren, fühle die warme südliche Luft und die unbeschreiblich romantische Atmosphäre
unterhalb des mächtigen Brückenbogens. Damals existierten noch kein Informationscenter und die
vielen kleinen Postkartenshops am Eingang zu dem Pont-du-Gard-Komplex. Alles wirkte damals noch ursprünglicher, schöner, und ich muss sagen, dass ich beim Anblick der „neuen zivilisatorischen
Errungenschaften“ ziemlich entsetzt bin. Ganze Besucherheerscharen aus aller Herren Länder
wandern mit ihren Kameras herum und lassen das Gefühl von Jahrmarkt aufkommen. Aber so ist es
nun mal: alles verändert sich, leider fast immer zum Schlechten als zum Guten.


Als nächstes fahren wir in unserem großen gelben Bus nach Uzès, einer kleinen, typisch
provenzalischen Stadt. Hier beginnt die Wasserleitung, die die Quellwasser des Eure über die
Pont du Gard nach Nîmes leitet. In dieser Stadt entscheidet sich Racine (1639 – 1699), sein Leben
der Literatur zu widmen. Wir sehen die Tour Fenestrelle, mit sechs sich nach oben verjüngenden Stockwerken, die Fenster in jedem Stockwerk anders gestaltet. Der Turm ist der Rest einer romanischen Kathedrale, die während der auch in Uzès heftig tobenden Religionskriege zerstört wurde. Das Schloss der Herzöge (Duchés, der höchsten Pairs von Frankreich im 17. Jh.) mit
schöner Fassade, wird überragt von drei mittelalterlichen Türmen.

Heute wird hier ein großer Gewürzmarkt abgehalten, und wir, besonders die Frauen, schwärmen aus,
um die herrlichen provenzalischen Waren anzuschauen und zu kaufen. Besonders Lavendel, Kräuter
der Provence, Olivenseife etc. haben es uns angetan. Unter dem veilchenblauen Himmel und in der
Atmosphäre dieser entzückenden Stadt sind Einkaufen und Bummeln einfach herrlich.

Ich versäume es auch nicht, viele Bilder zu schießen und meinen Camcorder laufen zu lassen.
Schließlich muss ich doch meinem Namen als „rasende Reporterin“ alle Ehre machen, was mir in
dieser herrlichen Umgebung nicht schwer fällt.


Unsere Fahrt geht weiter in die Stadt Nîmes. Nîmes als Hauptstadt des Departement Gard (zum
Languedoc gehörend) ist eine Hochburg des spanischen Stierkampfes in Frankreich, des
Flamencos, von Bodegas und Straßenfesten.

Diese Stadt war schon immer kosmopolitisch. An der Stelle einer Siedlung keltischer Völker gründete vermutlich Augustus die Colonia Augusta Nemausus (nach Nemos, dem keltischen Gott). Er siedelte Veteranen aus den Ägyptenfeldzügen an, und so wurde das an eine Palme gekettete Krokodil – Symbol des eroberten Ägyptens - zum Wappen und Sinnbild der Stadt. Dieses Emblem – Krokodil an Palme angekettet – findet sich auf den im Pflaster der Fußgängerzone eingelassenen Metallknöpfen und in dem schönen Brunnen auf Place du Marché wieder. Nemausus (Nîmes) Blütezeit lag im 2. Jahrhundert., als die Kaiser Hadrian und Antonius Pius es mit prächtigen Bauten ausstatteten. Es war hier in Nîmes, wo im 18.Jh. ein blauer, robuster Baumwollstoff, der Denim (de Nîmes) erfunden wurde, der als Jeansstoff weltweit bekannt wurde.

Das römische Amphitheater mit 60 rundherum führenden Arkadenbogen und einem
Fassungsvermögen von ca. 24 000 Menschen zieht uns in seinen Bann. Im Mittelalter bauten die
Grafen von Nîmes eine Festung in das Amphitheater, und danach siedelte, wie öfters in der Provence
geschehen, ein ganzer Stadtteil mit einigen Hundert Bewohnern in dem Bauwerk (wahrscheinlich um
sich besser vor Angriffen feindlicher Truppen zu schützen) . Heute finden in der Arena spanische
Stierkämpfe statt, die im Gegensatz zu den in St. Maries-de-la-Mer in der Camarque blutig sind,
weiterhin Opern- und Ballettaufführungen. Zur Feriazeit verwandeln sich die Strassen von Nîmes in
ein riesiges Volksfest mit spanischem Flair.

Wir sehen weiter: das römische Maison Carré, das wahrscheinlich nur deshalb erhalten blieb, weil es
im Mittelalter in eine Kirche umgewandelt wurde. Agrippa hatte den Tempel mit seinem vollendeten
Steinmetzdekor um die Zeitenwende dem Kult seines Schwiegervaters, des Augustus bzw. dessen
beiden früh verstorbenen und vergöttlichten Enkeln Gaius und Lucius, geweiht. Für einen römischen
Tempel typisch erhebt sich das Bauwerk auf einem 3 m hohen Sockel über die Welt der Sterblichen.

Auf der anderen Seite des großen Platzes spiegelt sich die Maison Carrée in der gläsernen Schaufront
des Carré d’Art erbaut von Sir Norman Foster. Hier befindet sich ein Museum für zeitgenössische
Kunst. Auf harmonische Weise verbinden sich hier Altertum und Postmoderne.

Nach unserem heutigen großen Programm kehren wir müde und hungrig in unser Hotel inmitten der
Weinberge zurück und genießen ein reichliches, sehr gut schmeckendes Abendessen. Auch der
Weißwein, den ich mir dazu bestelle, schmeckt mir sehr gut, kostet aber zu meinem Erstaunen 12
Euro pro Flasche (und das, wo sich doch die Winzerkooperative direkt neben uns befindet).


Mittwoch, 11. Juli, unser zweiter Tag:

Marseille – Cassis – Aix-en Provence stehen auf dem Programm!

Marseille, wunderschön am blauen Meer gelegen, ist eine Stadt, die wegen ihrer unsicheren
sozialen Situation – sehr viele bettelarme Einwanderer aus Afrika - ein bißchen problematiisch für uns ist. Die Reiseleitung hat generell einen Besuchsstop in der City von Marseille angeordnet. Wir fahren alsosofort weiter, entlang am schönen alten Hafen mit vielen weißen Booten und herrlichen Yachten zudem Wahrzeichen der Stadt, der hoch oben gelegenen Basilika Notre-Dame- de-la Garde.

Von hier oben – es zieht und bläst heute ganz gewaltig, und es ist sehr kalt – schauen wir herunter
auf die große Stadt und die beiden Inseln im Meer, auf das Chateau d’If und die Isles du Frioul. Das
Chateau d’If ist durch den Roman von Alexandre Dumas „Der Graf von Monte Christo“ bekannt und
unsterblich geworden. Wir sehen die große Stadt zu unseren Füßen, hübsch anzusehen vor dem
Hintergrund der im ewigen Dunst der Großstadt verhüllten Kalksteinhügel des Gebirges.

Wir verlassen den Moloch Marseille und steuern Cassis an, das südöstlich in Richtung Côtes d’Azur
direkt am Meer gelegen ist. Appartementhäuser und Hotels liegen an den grünen Hängen unterhalb
riesiger Bergzüge aus weißen Kalkfelsen, Galerien, Shops, kleine Restaurants in den engen, sehr
hübschen Gassen, stilvolle Villen der Reichen und Berühmten gleiten an unserem Auge vorbei.

Unser Boot wartet schon auf uns: wir wollen hinaus in die Calanques, die Buchten, die das Wasser im
Laufe der Zeit durch den weichen Kalkstein in das Ufer gegraben haben. Das Boot ist übervoll, und
die See ist rau. Vorne am Bug ist es nicht auszuhalten, weil die Wasserschwaden nur so ins Boot
klatschen und alle, die dort stehen oder sitzen, völlig durchnässen. Mit Müh und Not kann ich meine
Fotoausrüstung in Sicherheit bringen. Im Innenraum sind die Plätze rar, und teilweise sitzen die
Menschen aufeinander. Es ist kein Genuss, und wie ich sehe kämpfen auch einige Leute mit der
Seekrankheit. Der Blick in die Buchten ist jedoch sehr schön, und es gelingen mir einige hübsche
Fotos.

Diese Calanques erinnern mich an die Buchten in der Halong-Bay in Vietnam (die auch zum
Kulturerbe der Welt gehört), wo wir vor ca. 3 Jahren in einem privat gecharterten Schiff bei
herrlichem Essen und gutem Wein durch die Buchten schipperten.Das war damals Luxus pur und für
mich ein unbeschreiblich schönes Erlebnis.

Wir sind alle froh, als wir endlich wieder an Land sind, raus aus dem schlingernden, rollenden
Boot. Unsere Zeit ist knapp geworden, und unser Magen meldet sich vehement und schreit
nach einer Mahlzeit. Die Suche nach einem Sandwichstand - an der Uferpromenade gibt es nur teure Restaurant,für die man auch reichlich Zeit haben muss –bringt keinen Erfolg, und so
 müssen wir uns mit einem trockenen Baguette und Wasser zufrieden geben, nach dem Motto:
besser als gar nichts!


Weiter geht die Fahrt nach Aix-en-Provence, von Gaius Sextius Calvinus im Jahre 123 vor Chr.
gegründet als Aquae Sextiae, die Stadt der 101 Brunnen, wie sie auch liebevoll genannt wird.
Aix-en-Provence wurde und wird umfassend renoviert und ist bei den Franzosen eine sehr angesagte,
aber auch sehr teure Stadt. Berühmt sind hier die Platanenpromenade „Cours Mirabeau“ und die
herrliche Altstadt mit vielen hochherrschaftlichen Palästen. Viele gemütliche Lokale und Cafés unter
schattigen Platanen laden ein zu einem Café oder einem Pastis. Hier lebte Cézanne von 1839 bis 1906, in dessen Werken sich die Farben und das Licht der Provence widerspiegeln.

Leider aber haben wir auch hier nicht die Zeit, die man zur Erkundung einer solch wunderschönen
Stadt haben müsste. So sagen wir adieu und sind dann schon bald wieder auf der Rückreise zu
unserem kleinen Hotel in den Weinbergen.

Donnerstag, 12. Juli 2007 - unser 3. Tag:

Heute haben wir ein sehr schönes Programm vor uns. Wir fahren in das Luberon-Massiv, besuchen
Isle-sur-la Sorgue, Fontaine de Vaucluse, das Calavontal, wo vormals Ocker gewonnen wurde und
auch wegen der Steinbrüche, die in allen erdenklichen Ockertönen unter der Sonne der Provence
erstrahlen, Colorado de Rustrel genannt wird.

„Über eine Länge von 65 km erstreckt sich der von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärte
Gebirgszug des Luberon zwischen Cavaillon und Manosque, begrenzt von den Flusstälern der
Coulon/Calavon im Norden und der Durance im Süden. In der noch sehr ursprünglichen Landschaft
mit Eichen-, Kiefern- und Atlaszedernwäldern haben Nattern, Eidechsen, Wildschweine, Biber und
seltene Raubvögel wie der Bonelli-Adler, der weiße ägyptische Geier mit seiner lustigen Federhaube
oder der Schlangenadler ein Refugium gefunden.“ /Zitiert aus Dumont Reiseführer – Provence.

Aber nun der Reihe nach:

Zunächst geht es nach Isle-sur-la Sorgue, einer malerischen an den Ufern der Sorgue gelegenen
verträumten kleinen Stadt mit vielen Wasserrädern, die früher die Maschinen vieler
Handwerksbetriebe antrieben.

Die Kirche Notre Dame-des–Anges ist eine sehr schöne Barockkirche in italienischen Stil. Im „Bureau des Touristes“ holen wir uns Informationsmaterial, und ich kaufe mir – ich kann einfach nicht widerstehen – ein sehr stimmungsvolles Poster von Fischerbooten auf der Sorgue. Die Fischer haben genau wie die im Spreewald lange Stangen, mit denen sie die Boote steuern. Das Wasser glitzert wie tausend Diamanten in der Sonne, und die üppige Vegetation lassen den Ort märchenhaft verzaubert aussehen.Dieses Poster hängt jetzt in meinem Wohnzimmer an der Wand und ist eine schöne Erinnerung an meine Reise.


Diese kleine Stadt am Fluss hat mir außerordentlich gut gefallen, und ich zitiere deshalb aus einem der kleinen Prospekte, weil ich es besser nicht sagen könnte:

„Räder, die sich im Rhythmus der Sorgue drehen. Zweifellos ist L’Isle-sur-la-Sorgue eine sehr provenzalische Stadt. Allerdings ist sie wegen ihrer Ursprünge, ihrer Traditionen und wegen der Sorgue mit den großen Wasserrädern, die sich als Zeugen der Vergangenheit drehen, etwas Besonderes. Die Stadt schwimmt wie ein  großes Schiff auf dem glitzernden Wasser“.

L’Isle des Poeten (Die Insel des Poeten ) :

«Comme l’enfant dit un jour au poète : sifflons ensemble et vivent les oiseaux ».
(Übersetzung: Sagt das Kind eines Tages zum Dichter: lasst uns zusammen pfeiffen und leben wie die Vögel).

Der Dichter René Char ist für ewig mit seiner Vaterstadt verbunden. Es scheint, als schreite er noch
immer durch die Strassen und rezitiert aus seinem Werk: “ Le Soleil des Eaux“. Die Sorgue durchzieht auch die Gedichte und Schriften von Petrarca, Chauteaubriand und René Char.

„Rivière où l’éclair finit et où commence ma maison“, „Der Fluss, wo der Blitz endet und wo mein Haus beginnt".


Auf dem malerischen Markt des Ortes kaufe ich nach Herzenslust ein: Lavendel, Olivenseife und
einen entzückenden mit bunten Lederriemen eingefassten Weidenkorb.

Wir fahren weiter zu dem ganz in der Nähe gelegenen Fontaine de Vaucluse, wo der Fluss Sorgue
aus einer unterirdischen Quelle tief im Karst auf mysteriöse Weise entspringt.

Tausende von Ausflügler pilgern in der Hochsaison zu der Quelle der Sorgue in dem Weiler mit der
romanischen Kirche St. Véran. Der Weg führt unterhalb der mittelalterlichen Burgruine in dem
hellgrauen Vaucluse-Massiv zu dem Quelltopf der Sorgue, der größten Quelle Europas. Nur in
regenreichen Monaten ist er ganz gefüllt und läuft bis 120 m pro Sekunde über. Er wird gespeist von
einem weit gespannten Netz unterirdischer Kanäle, die unterhalb des Vaucluse-Massivs liegen und
dessen Wasser von undurchlässigen Gesteinsschichten am Weiterfließen gehindert hochsteigen.

An dem Fluß Sorgue befindet sich eine Papiermühle, die Papier noch wie im 15. Jahrhundert schöpft und verkauft (teuer!), weiterhin das Santon-Museum, das Krippen und Puppen anbietet. Diese Puppen (santons) in allen möglichen Größen aus Holz oder Ton wurden von einem Marseiller Kaufmann während der französischen Revolution „erfunden“ und hergestellt, als von Seiten der Revolutionäre religiöse Krippenspiele verboten wurden. Die Püppchen entwickelten sich damals zu einem Verkaufsschlager und sind dieses noch bis in die heutige Zeit.

Hier in Vaucluse lebte einst Petrarca und schrieb von der Einsamkeit und der Idylle des Ortes. Bei
dem heutigen hier herrschenden Getriebe kann man leider von Einsamkeit nicht mehr sprechen. Sicher würde er sich heute ein anderes einsames Plätzchen in der Provence suchen.

Hier an diesem immer noch idyllischen Ort finde ich eine Fülle von herrlichen Motiven für meine
Kamera.

Unsere nächste Station ist Gordes, einer malerischen hoch am Berge hängenden kleinen Festung.
 Die meist grauen mit bunten Blumen über und über geschmückten kleinen Häuser des Ortes
 sind in konzentrischen Ringen in die Felsen gebaut, der auf das Tal des Coulon herunterblickt. Mitten im Ort ein Renaissanceschloss aus dem Jahre 1525, erbaut von Bertrand de Simiane. Es beherbergt Werke des zeitgenössischen flämischen Malers Pol Mara Gordes. Der französische
Maler und Kunstpädagoge André Lhote entdeckte im Jahr 1938 den Ort wieder (wegen der Landflucht war der Ort lange Zeit entvölkert und verlassen). In der Zwischenzeit ist Gordes
wieder „in“ und in Kunstkreisen ein begehrter, inzwischen auch sehr teuer gewordener Platz in
 der Provence.

Wir fahren weiter nach Apt, an der Abbaye de Sénanque entlang, das mit seinen weitläufigen
Lavendelfeldern in der Sonne leuchtet.

Wildes grünes Land, weiß-graue Felsen zur Linken und Rechten, Macchia-ähnliche Vegetation,
Krüppelkiefern vom „Meister“, dem Mistral, zerzaust und gebeugt, schlanke dunkelgrüne Pinien,
die sich stolz in gleißendem Sonnenlicht in einen stahlblauen Himmel recken, das ist die Provence:
La souplesse d’un jour d’été, la puissance d’une grande région.

Bereits im Jahre 1148 hatten sich hier Zisterziensermönche niedergelassen und das Land an der
Sénancole gerodet und bestellt. Sie waren für ihre Leistungen in der Bodenkultivierung berühmt. In
der Einsamkeit dieses Tales suchten sie Erleuchtung, folgten den Regeln des Bernhard von Clairvaux,
der seinen Mönchen Arbeit, Armut, Demut und Askese vorschrieb.

In Apt machen wir halt und bummeln über den hier statt findenden sehr hübschen Markt. Hier kann
man sehr gut Lavendel, Olivenseife, Weidenkörbe, Marmeladen und sogar Trüffel kaufen. Die
Altstadt ist typisch provenzalisch mit der Kathedrale St. Anne, wo die Reliquien des heiligen Castor
aufbewahrt werden.

Noch ein paar Worte zum Lavendel, einer Pflanze, die uns auf unserer ganzen Reise begleitet hat: Was ich nicht wusste, ist, dass das Wort „lavande“ für den echten Lavendel steht, der zu Parfüm und
Duftölen verarbeitet wird und den man auch essen oder trinken kann (Lavendelsaft z.B.) Lavendin
hingegen ist ein genetisch veränderter Lavendel, der intensiver duftet, den man allerdings nicht
verzehren kann. Diese Information teilte uns ein sehr freundlicher Ladenbesitzer in Apt mit, in dessen
Laden wir uns mit Lavendel eindeckten.

Auf unserer Weiterfahrt sehen wir schon von weitem gelb leuchtende Felsmassive, die Ockerfelsen
von Roussillon. Der bis 1975 in den Ockerbrüchen dieser Gegend abgebaute Ocker diente den hier
lebenden Menschen unter anderem zum Streichen ihrer Häuserfassaden. Noch heute sind viele der
hiesigen Häuser in diesen freundlich leuchtenden Farben angestrichen.

Nach kurzer Zeit befinden wir uns im so genannten Colorado Provencal, den aufgegebenen
Ockerbrüchen. Ein ganz wunderbarer Spaziergang vorbei an einer Reihe von bildschönen, sehr edlen,
lässig mit ihren langen, seidigen Schweifen schlagenden Pferden bringt uns bald in die aufgelassenen,
einst im Tagebau betriebenen Ockerbrüche. Steil aufragende Bastionen und tief abfallende Schlünde
lassen uns die ganze Schönheit dieses Ortes hautnah erleben. Die Ockerfarben variieren in allen
erdenklichen Tönen, von tiefem Orange und hellem Gelb ist alles vorhanden. Und über allem – den
Ockerfelsen und den dunkelgrünen Pinien - wölbt sich ein tiefblauer hoher Himmel. Diese bizarre
Landschaft mit ihren eigentümlichen Farben hat etwas Magisches an sich, und ich kann mich nur mit
Mühe davon trennen. So bin ich dann auch die Letzte, die aus dem Labyrinth der Schluchten wieder
herauskommt. Beim Ausgang aus diesem wahrhaften „Colorado“ habe ich noch ein paar alte
Maschinen und Werkzeuge entdeckt, die Staub verkrustet und achtlos in einer Ecke liegen und
beredtes Zeugnis einer vergangenen Zeit und Technik sind.

Ocker besteht übrigens aus Quarzsand, Eisenoxyd und Ton. Um ihn zu gewinnen, musste das
abgebaute Material wieder und wieder in verschiedenen Becken gespült werden, bis endlich der reine
Ocker gewonnen war, der dann noch getrocknet und gebrannt werden musste.

Wir fahren weiter und lassen Colorado Provencal hinter uns. Die in warmen Gelb- und Rottönen von
der untergehenden Sonne angestrahlten Felsen leuchten noch lange in der Ferne zu uns herüber.

Noch ein letztes Wort zu Colorado Provencal: ich habe mich an unsere USA Reise vor langen Jahren
erinnert, wo wir in Colorado die „Coral pink sand dunes“ im Bryce Canyon (Colorado)besuchten.
Auch hier waren die Farben überwältigend schön. Besonderheit dort waren die vielen Leute, meist
junge drahtige Männer, die unermüdlich in speziellen Buggie-ähnlichen Fahrzeugen die Sanddünen
hoch- und wieder runter fuhren. Ein wirklich beeindruckendes Schauspiel, das den jungen Leuten
offensichtlich viel Spaß machte.

An diesem Abend kehren wir mit vielen schönen und interessanten Eindrücken in unser kleines Hotel
zurück und stürzen uns halb verhungert über unser wie immer schmackhaftes Mahl.

Für heute, Freitag, 13. Juli 2007, an unserem 4. Tag in der Provence,
steht die altehrwürdige Stadt Avignon, die Stadt der Päpste, auf unserem Programm.

Das Gebiet von Avignon wurde seit frühester Zeit besiedelt. Im Bereich eines steilen Felshügels
gründeten vor mehr als 2000 Jahren die Kavaren, ein raues Krieger- und Fischervolk keltischer
Herkunft, die erste befestigte Ansiedlung, der sie den Namen Aouenion gaben. Aouenion ist eine
Verbindung der beiden keltischen Begriffe „aouen“ = Wasserstrudel und „ion“ = die Herren, und
bedeutet in der Zusammenfassung soviel wie die „Herren des Wassers“. Unter römischer Herrschaft
wurde die Stadt Avenio genannt.

Im Jahre 1309 gewinnt die Stadt an Bedeutung, da sie Sitz des Pontifikates wird; sieben französische
Päpste folgen nacheinander auf den Heiligen Stuhl von Avignon, und unter ihrem Pontifikat entstehen
der mächtige Papstpalast (mit 15 000 qm Nutzfläche) und der Verteidigungswall rund um die Stadt.
Der päpstliche Hof entwickelte sich rasch zu einem der glanzvollsten und größten Höfe des
mittelalterlichen Europas.

Erst im Jahre 1377 führte Papst Gregor XI. den Heiligen Stuhl nach Rom zurück. Es folgte dann die
Zeit der Gegenpäpste, d.h. die Spaltung der katholischen Kirche, die erst im Konzil von Konstanz
(1414) beigelegt werden konnte. Avignon blieb bis zur französischen Revolution unter der Verwaltung eines päpstlichen Gesandten und erfuhr in dieser Zeit eine große Blüte: neue Häuser, Kirchen, Monumente und Hotels entstehen. Im Jahr 1721 wird die Stadt von der großen Pest heimgesucht, die nur ein Viertel der ursprünglich 24.000 Bewohner zurücklässt. Weitere Angaben zur wechselvollen Geschichte Avignons findet man im Reiseführer oder anderer einschlägiger Literatur.

Wir fahren zunächst mit einer kleinen Bahn durch die Straßen von Avignon und können so von ganz
nah die alten Häuser und Paläste sehen und bewundern. Anschließend besichtigen wir den großen
Papstpalast.

Mit seinen 15000 qm nutzbaren Fläche ist er eines der größten und mächtigsten Feudalschlösser seiner Zeit. Der äußere Anblick gleicht dem einer gewaltigen, uneinnehmbaren Festung: hohe Mauern, die hier und da von kleinen schmalen Fenstern durchbrochen werden, mit mächtigen Spitzbögen und Pechnasen, die den massigen Baukörper gliedern und auflockern.

Von der ursprünglich üppigen Innendekoration – sie wurde damals von italienischen Künstlern,
darunter Giovanni Luca aus Siena und Matteo Giovannetti aus Viterbo, der den Namen „Maler des
Papstes erhielt, gestaltet – ist heutzutage nichts mehr vorhanden.

Während der französischen Revolution wurde sehr viel zerstört oder ging verloren. Die Soldaten
Napoleons lösten Fresken von den Wänden, schlugen Skulpturen und Plastiken von ihren Sockeln und verscherbelten sie. Oder sie zogen Decken in die riesigen Räume ein, um mehr Schlafplatz für die Soldaten zu bekommen, und errichteten Feuerstellen für die Feldküchen. In den Kapellen wurden
Pferde untergebracht, kurzum: es wurde keinerlei Rücksicht auf die Altehrwürdigkeit und
geschichtliche Bedeutung des Palastes genommen. So wandern wir durch kahle hohe Räume und
brauchen viel Phantasie, uns die einstige Pracht und Herrlichkeit vorzustellen.

In einem der schönen offenen Restaurant mitten auf dem Vorplatz des Palastes trinken wir
anschließend unseren Kaffee und betrachten die bunte Schar von phantasievoll gekleideten
Schauspielern, Sängern und Gauklern, die für ihre an diesem Tag stattfindenden Vorstellungen
werben. Es ist ein munteres fideles Völkchen, das singend und spielend an uns vorbei tanzt.

Diesen interessanten Tag beschließen wir wie immer mit einem Dreigänge-Menü in unserem
 Hotel. Zuvor konnten wir uns noch bei einer kleinen Weinprobe in der benachbarten „Coopérative des vins“ ein Bild über die Qualität des hier angebauten Weines machen.


Samstag, 14. Juli 2007: Heute ist Quartoze Juillet, der Nationalfeiertag der
Franzosen.

Unser heutiges Programm ist eine Reihe von Highlights: Les-Baux-de-Provence, Arles, St.
Maries-de-la-Mer, Aigues-Mortes

Wegen des hohen französischen Feiertages finden wir die Straßen des Landes frühmorgens fast
verwaist. Zunächst steuern wir Les Baux-de-Provence an. Längs eines 900 m langen, nackten
Felshügels liegen in ca. 280 m Höhe die Ruinen dieser mittelalterlichen Stadt mit halbverfallenen
Häusern und den Resten einer zerstörten Burg. Unser Rundgang durch die steilen Gassen dieses
kleinen Ortes – einst Sitz eines auserlesenen Feudalhofes und Zentrum der Troubadoure, der
provenzalischen Minnesänger – ist sehr eindrucksvoll. Man weiß, dass Les Baux schon in
vorgeschichtlicher Zeit (mit Sicherheit in der Eisenzeit) bewohnt war. Es war jedoch im Mittelalter , in dem der Ort seine eigentliche geschichtliche und künstlerische Bedeutung erhielt. Ende des 10.
Jahrhunderts gibt es hier eine starke Feudalherrschaft, der das ganze umliegende Land untersteht.
 100 Jahre später ist es mit 79 abhängigen Ortschaften eines der mächtigsten Lehen Südfrankreichs. Heute gehört Les Baux-de-Provence zu Monaco.

„Raco d’eigloun, jamai vassalo“ (Race d’aiglons, jamais vassale), das bedeutet „vom Stamme der
Adler, niemals Vasall“, so beschreibt Mistral (ein in der Provence sehr bekannter Dichter, neben dem
Bauerndichter Charloun Rieu (1846-1924) den Stolz und die Macht der Herren von Les Baux, die sich sogar einbildeten, von Balthasar, einem der mythenhaften Heiligen Drei Könige, abzustammen. In ihrem Familienwappen tragen die Herren von Les Baux einen 16strahligen Kometenstern.
An diesem Ort entsteht die Kunst des Minnesangs, vorgetragen von Troubadouren in occitanischer
Sprache (langue d’oc), den aus der Feudalherrschaft hervorgegangenen neuen Dichtern. Hier finden
die berühmtesten Troubadoure der Zeit Schutz und Aufnahme: Raimabut de Vacqueiras, Bonifax de
Castellane, Guy de Cavaillon. Im Mittelpunkt der Lieder, die stets in Gegenwart von vornehmen und
schönen Frauen vorgetragen werden, steht immer die Liebe in ihrer sublimsten Form. Es wird gespielt und getanzt, man vergnügt sich, und die Gewinner erhalten eine Krone aus Pfauenfedern und einen Kuss der Schönsten der Frauen.

Wir wandern durch diesen sagenumwobenen Ort und genießen die ganz besondere Atmosphäre
dieser uralten Stadt.

Über Les Baux-de-Provence gäbe es noch eine ganze Menge zu erzählen, was aber den Rahmen
meines Reiseberichtes sprengen würde. Ich empfehle allen Interessierten, sich in einem guten
Reiseführer weitergehend zu informieren. Erwähnen möchte ich nur noch, dass von dem Namen
 Les Baux die Bezeichnung Bauxit abgeleitet wird, das Material, das hier im Jahr 1822 in großen Mengen gefunden und abgebaut wurde.

Unsere Reise geht weiter – zur Mühle von Alphonse Daudet – nach Fontvieille. Die Legende sagt,
dass Daudet in der Mühle wohnte, was aber nicht der Wahrheit entspricht. In Wirklichkeit wohnte er,
wenn er aus Paris kommend in die Provence reiste, im Chateau de Montaban. Trotzdem handelt es
sich bei der „Moulin de Daudet“ um die Mühle, die er in seinen „Lettres de mon moulin“
(veröffentlicht im Jahr 1865 in Paris) beschrieb. Die Mühle, deren Mechanismus noch immer
funktioniert, erreicht man entlang einer herrlichen, von schattigen Pinien gesäumten Allee. Hier
pflegte der provenzalischer Dichter, ein höchst empfindsamer und scharfsinniger Beobachter seiner
Heimat, entlang zu schlendern und hier und da anzuhalten, um vielleicht ein Schwätzchen mit dem
Müller oder einem Bäuerchen zu halten. 1938 wurde die Mühle in ein Museum umgewandelt, das Dokumente und Erinnerungen an Alphonse
Daudet aufbewahrt.

Ich habe die „Lettres de mon moulin“ gelesen; es handelt sich um teilweise skurrile, aber auch
traurige Geschichten von Menschen aus der Provence. Seine Liebe zu dem wunderbaren Landstrich
kommt in jeder Geschichte zum Ausdruck.

Hier ist ein Auszug aus dem berühmt gewordenen Buch mit Erzählungen „Lettres de mon moulin“:

« C’est de là que je vous écris, ma porte grande ouverte, au bon soleil. Un joli bois de pins tout étincelant de lumière dégringole devant moi jusqu’au bas de la côte. A l’horizon, les Alpilles découpent leurs crêtes fines... Pas de bruit... A peine, de loin en loin, un son de fifre, un coulis dans les lavandes, un grelot de mules sur la route.. Tout ce beau paysage provencal ne vit que par la lumière. »

Schön, nicht? Diese Sprache und das was Daudet über dieses herrliche Land, die Provence, berichtet.
Genau so ist es: die ganze schöne Landschaft lebt durch das Licht.


Unser Programm heute ist aber noch nicht zu Ende. Wir fahren weiter nach Arles mit seinen antiken
Theatern, Thermen und der berühmten alten romanischen Kirche Saint-Trophime.

Der Name der Stadt Arles stammt von den Kelten, die das Land ursprünglich besiedelten und es,
weil es inmitten von Sumpfgebieten lag, Ar-laith (vor den Sümpfen) nannten. Unter den Römern
verwandelte sich der Name in Arelate. Cäsar nannte die Stadt „Colonia Julia Paterna Arelatensis
Sextanorum“ und stellte sie aus Dankbarkeit für ihre Treue zu ihm bei der Belagerung Marseilles
unter den Schutz der Veteranen der VI. Legion. Die Geschichte der Stadt ist wie die der anderen provenzalischen Stadt sehr bewegt, und auch hier verweise ich auf entsprechende weiterführende Lektüre.

Weiter geht es in Richtung Camarque. Das Land wird zusehends flacher und schon bald sehen wir in
den Sumpfgebieten überall die wunderschönen Camarque-Pferde stehen.

Die Camarque, ein ausgedehntes Flachland (ca. 800 qkm), das sich im Süden der Provence zwischen
den beiden Rhonearmen und dem Mittelmeer erstreckt und dessen größter Teil von dem riesigen
Sumpfgebiet von Vaccarès eingenommen wird, ist einer der interessantesten Teile Frankreichs.

Die Rhone transportiert jährlich so viel Sand und Schlamm, dass sich die Küste pro Jahr um
10 bis 50 Meter ins Meer hinausschiebt. Gleichzeitig drängt das Meer immer mehr ins Land hinein und gewinnt der Küste Land ab. Die Landschaft verändert sich dadurch kontinuierlich. So kommt es, dass St. Maries-de-la-Mer, das im Mittelalter noch mehrere Kilometer vom Meer entfernt war, heute vom Wasser umspült wird. Der Leuchtturm von St. Louis, der 1737 an der Rhonemündung errichtet
wurde, steht heute fern vom Wasser mitten im Landesinneren.

Dieses eigenartige Land übte schon immer eine große Anziehungskraft auf Maler und Dichter aus.
Siehe Daudet und auch Mistral, der schrieb: „ni arbre, ni ombre, ni ame“, über dieses fast absolut
horizontale Land. Die höchste Erhebung liegt bei Albaron mit 4,50 m, die größte Tiefe mit 1.50 m unter dem Meer ist identisch mit der Sohle des Sumpfgebietes von Vaccarès. Mit ihren besonderen
Eigenschaften ist die Camarque ideal für das Leben einer großen Vielfalt von Pflanzen und Tieren.
 Es gibt hier ein riesiges Naturschutzgebiet, in dem Jagd und das Pflücken von Pflanzen jeglicher Art
strikt verboten ist.

Für die Zugvögel ist das Rhonedelta eines der wichtigsten Sammelplätze in Europa, der Durchzug
der rosa Flamingos ist ein unbeschreiblich schönes Schauspiel: wir hatten Glück und entdeckten in einiger Entfernung eine große Schar davon inmitten eines Sumpfgebietes. Auf unserer Bootsfahrt durch das Rhonedelta sahen wir auch die berühmten Stiere, die lou bious, wie sie in der Gegend genannt werden und viele wunderschöne weiß schimmernde Camarque-Pferde. Viele Stiere und Pferde leben ganz wild und auf sich selbst gestellt in den Sümpfen. Über die Herkunft dieser weißen Pferde gibt es unterschiedliche Meinungen: die einen sagen, sie stammen aus der solutreanischen Epoche, d.h. aus der Altsteinzeit, (so werden sie auch chevaux solutrés genannt), andere meinen, sie kämen aus Kleinasien oder Nordafrika.

Auch die Herkunft des Camarque-Stieres (le taurau camarquais), der mit seiner Höhe von ca.
1,35 m relativ klein ist, ist nicht absolut sicher. Man nimmt an, dass er von dem „Bos taurus asiaticus“ abstammt und von den Horden Attilas aus Kleinasien eingeführt wurde. Die Stiere werden bei der „ferrade“ mit dem Siegel des Besitzers gebrandmarkt und stehen im Brennpunkt eines besonderen Stierkampfels, der im Gegensatz zur spanischen Tradition unblutig verläuft. Er heißt hier „course à la cocarde“ und besteht in der Geschicklichkeit des hasardeurs (provenzalischer Stierkämpfer), eine zwischen den Hörnern des Stiers befestigte rote Kokarde mit einer Lanze zu treffen.

Nächste Station ist Saintes Maries-de-la-Mer:

Vorab ein paar Worte zu diesem  Ort:

Einer alten provenzalischen Legende zufolge wurden um das Jahr 40 nach Christus drei von den Juden in Jerusalem verfolgte und gefangen genommene Frauen zusammen mit anderen Glaubensgefährten in ein Boot ohne Segel, Ruder und Proviant verfrachtet und dem Spiel der Wellen überlassen. (wie die Geschichte von Moses!) Die drei Frauen waren Maria Jakoba, die Schwester der Gottesmutter, MariaSalomé, die Mutter des Apostels Jakob d.Ä. und die Ägypterin Sarah, die Dienerin der beiden Marien.

Wie durch ein Wunder strandete das Boot, das neben den drei Frauen noch weitere Gefährten
(Lazarus, Maria Magdalena, Martha usw.) trug, an der provenzalischen Küste. Aus Dankbarkeit für
ihre Rettung errichteten die Frauen ein kleines Oratorium zu Ehren der Heiligen Jungfrau. Unter den
ersten Gläubigen, die hierher kamen und beteten, befanden sich Zigeuner und wanderndes Volk, die
hier in den weiten, grenzenlosen Ebenen der Camarque ihre Heimat gefunden hatten. Seither beleben
die Zigeuner die jährlichen Wallfahrten, die noch heute ihren Höhepunkt in der Nacht vom 24. auf den 25. Mai und am 22. Oktober erreichen. Dabei wird die von den Zigeunern als Schutzpatronin
besonders angebetete Statue der schwarzen Sarah in einer Prozession bis zum Meer getragen, wo sie
im Kreise der farbenprächtigen Menge von Zigeunern aus aller Herren Länder ins Wasser getaucht
wird.

Zunächst machen wir einen Bootsausflug in das Rhone-Delta, wo wir langsam am Ufer entlang fahren und Pferde, Stiere und viele seltene Vögel – Seidenreiher, Graureiher usw. – zu Gesicht bekommen und bewundern.

Heute findet in St. Maries-de-la-Mer eine große Fiesta statt. Leider haben wir keine Zeit diese zu
besuchen. Vor der großen Arena, in dem der Stierkampf stattfindet, stehen wunderschöne, weiße
Pferde, die von ihren Besitzern auf das Prächtigste geschmückt werden. Die langen, wehenden
Schweife der Tiere werden zur Hälfte in einen Zopf gewunden, der Rest der weißen, seidigen Haare
fällt wie eine weiße Kaskade wehend fast bis zum Boden. Wir sehen dann auch noch einen eleganten
Reiter in einem engen königsblauen mit weißen Tressen bestickten Anzug, der hoch zu Ross sitzt und
sein wunderschönes Pferd über den Parcour reitet. Ein tolles, ästhetisches Bild, dem alle fasziniert
zuschauen..

Wir trennen uns schweren Herzens von diesem interessanten Ort, der leider im Laufe der Zeit doch
ziemlich touristisch geworden ist und fahren weiter zu unserer letzten Station unserer Reise, nach
Aigues-Mortes. Diese kleine mittelalterliche Stadt liegt am westlichen Teil der Camarque in einer
bizarren Landschaft von Lagunen und Kanälen.

Zur Geschichte dieser schönen wie im Dornröschenschlaf vor sich hinträumenden Stadt: 1240 erwirbt
Ludwig der Heilige mangels eines seiner Herrschaft unterstehenden Hafens von den Mönchen der
Abtei Psalmody einen Küstenstrich an der Camarque, um hier einen Einschiffungshafen für den von
ihm ausgerufenen Kreuzzug zu bauen.

1248 setzen achtunddreißig aus Genua kommende Schiffe ihre Segel gen Jerusalem. 1270 bricht
Ludwig der Heilige ein weiteres Mal zu einem Kreuzzug auf, aus dem er nicht wiederkommt (er stirbt in Tunesien an der Pest). 1421 übernehmen die Burgunder im 100jährigen Krieg die Stadt, können sich aber nicht lange halten. Bis Mitte des 14. Jh ist Aigues-Mortes eine blühende und reiche Stadt. Dann beginnt sich das Meer zurückzuziehen. Mit der Verlandung ist das Schicksal der einstigen Hafenstadt besiegelt: sie wird bedeutungslos.

Aigues-Mortes als ein Paradebeispiel für eine mittelalterliche Stadt ist mit einem umlaufenden
Festungswall, zwanzig mit Zinnen besetzten Wehrtürmen und zehn Stadttoren umgeben. Bauherr
dieser herrlichen, sehr gut erhaltenen Anlage war Ludwig der Heilige und sein Sohn Philip, der
Kühne.

Ein Bummel durch diese kleine wunderschöne Stadt mit ihren mittelalterlichen, gut erhaltenen
Gebäuden und Palästen und den zahlreichen einladenden, unter hohen schattigen Platanen gelegenen
Restaurants ist ein sehr gelungener Höhepunkt unserer Reise durch die Provence.


Wir sind am Ende unserer Reise durch die Provence angelangt. Fünf Tage reisten wir durch die
verschiedensten Landschaften und Städte, sahen herrliche Paläste, blumengeschmückte Häuser und
Plätze, trafen überall in Stein gehauene Zeugen einer grandiosen und auch schrecklichen
Vergangenheit. Wir sprachen mit freundlichen Menschen am Wegesrand, freuten uns an unseren
kleinen „achats, an Lavendel, leuchtend bunter Keramik, hübsch geflochtenen Körbchen gefüllt mit
würzigen „herbes de Provence“ und herrlich duftendem Parfums. Wir waren mitten drin im
pulsierenden, von Licht durchfluteten Leben einer herrlichen Landschaft und genossen jeden Tag.

Wir haben viel gesehen, aber letztendlich doch nur einen kleinen Ausschnitt. Dies ist auf jeden Fall ein Grund, hoffentlich bald wieder hierher zu kommen, und darauf freue ich mich schon.

Ganz zum Schluss will ich Marcel Pagnol zu Wort kommen lassen, der wie kein Anderer der Provence mit seinen Werken ein ewiges Denkmal gesetzt hat.

Epilog:

„Die Luft war ruhig und der würzige Duft der Hügel erfüllte wie ein unsichtbarer Dunst die tiefe Schlucht.Thymian, Lavendel und Rosmarin mischten sich mit dem Geruch des goldgelben Harzes, dessen lange, unbewegliche Tränen wie Glas auf dem lichten Schatten der schwarzen Baumrinde glänzten. Ich marschierte lautlos in der Stille dieser Einsamkeit.“

Marcel Pagnol: Aus seinem Buch: „Eine Kindheit in der Provence“


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Diesen Reisebericht habe ich erstellt unter Zuhilfenahme folgender Bücher bzw. Reiseführer:
• Alfonse Daudet – Lettres de mon moulin
• Marcel Pagnol – Eine Kindheit in der Provence
• Provence – Dumont Reisetaschenbuch
• Provence – Deutsche Ausgabe aus dem Verlag Bonechi, Florence

Während der Reise habe ich drei Filme gedreht und ca. 500 digitale Bilder „geschossen“. Leider kann
ich aus Platzgründen in diesem Reisebericht nur ein Foto zeigen. Es existiert aber eine Version des
Berichtes mit sehr schönen Bildern, die ich Euch auf Nachfrage gerne zuschicken kann. In meiner homepage www.lyrik-am-fluss.de gibt es unter meinen Reiseberichten einen link auf weitere Fotos dieser Reise in die Provence.

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